Der Austausch über Technologien zur nachhaltigen Entwicklung hat in der Ukraine einen hohen Stellenwert, und so reisten Karl-Heinz Seeger und Thomas Sapper, als Vertreter von Gewobau und FUTUREhaus sowie des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA) zu einem Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj nach Kiew. Eine Regierungsdelegation aus Berlin um Kanzlerin Merkel „toppte“ dann zwar den Besuch aus Bad Kreuznach, aber dem Ziel einer Kooperation im nachhaltigen Wohnungsbau tat dies keinen Abbruch.
Karl-Heinz Seeger und Thomas Sapper (FOTO: rechts und 2. von rechts) trafen mit Mitgliedern des ukrainischen Kabinetts, unter anderem Minister Oleh Nemchinov, zusammen und vereinbarten einen fachlichen Austausch, der mit einer Kooperationsvereinbarung besiegelt wurde.
Wohnungsbau für Menschen aus der Ostukraine
Das Interesse der Ukraine an beispielhafter Wohnbautechnik hat einen konkreten Hintergrund: Ein Bauvorhaben, das speziell für Menschen aus der von Russland beanspruchten und umkämpften Ostukraine geplant wird, könnte mit Unterstützung Deutschlands gebaut werden — sofern hierbei europäische Standards zugundegelegt werden. Einen „ganz praktischen Wissenstransfer mit dem Ziel, nachhaltigen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, nennt Karl-Heinz Seeger den Kooperationsansatz.
Wenn Seeger über seine Eindrücke aus Kiew berichtet, spricht er von einer im Straßenbild erkennbaren früheren russischen Prägung: hohe Gleichförmigkeit und — mutmaßlich — geringe Bedeutung von Energieeffizienz und Nachhaltigkeit insgesamt. Mit der Hinwendung zu Europa soll sich dies ändern. Mit dem beispielhaften „Solar Quartier“, das sie im Baugebiet „In den Weingärten“ realisieren, zeigen FUTUREhaus und Gewobau zukunftsfähige Wege auf. Dort eingesetzte Technologien seien nur bei oberflächlicher Betrachtung „teuer“, erklärt Karl-Heinz Seeger: Denn wenn die Kosten für Heizenergie sich im Bereich um null einpendeln, handele es sich hierbei um nichts anderes als um einen Minuszins auf den finanzierten Kaufpreis. So müsse jede sachgerechte Investition in die Energieeffizienz als dauerhafte (Neben-)Kostensenkung mit Kauf- oder Mietpreisen verrechnet werden. Gute, nachhaltige Lösungen ermöglichten somit bezahlbares Wohnen, betont Seeger.
Umweltschonende Produktion an Ort und Stelle
Wobei Nachhaltigkeit den Ressourcenverbrauch insgesamt betrifft, im Wohnungsbau also den gesamten Nutzungszyklus vom Bau bis zum Abriss eines Gebäudes. Die Produktionsweise von FUTUREhaus, die — wie auch beim Solar Quartier — auf die Herstellung von Fertigmodulen in der Nähe des Bauplatzes setzt, realisiert von Beginn an einen schmalen ökologischen Fußabdruck. So könnte das ukrainische Bauprojekt dank der örtlichen Holzproduktion in bis zu sechsstöckiger Bauweise aus einem günstigen Holzspanstein errichtet werden.
Gewobau-Geschäftsführer Seeger, der sich im BWA als Direktor des Sachbereichs „Bauen und Bauinvestition“ ehrenamtlich engagiert, sieht weitere Anknüpfungspunkte für eine Kooperation. Er möchte gerne die Instrumente der Förderbanken KfW und ISB transparent und nachvollziehbar machen. Denn was mit der KfW seit ihren Anfängen als „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ in der Nachkriegszeit bis heute gelungen ist, könnte auch in der Ukraine Teil einer umfassenden Staatsentwicklung werden.
Das nächste Kapitel der noch jungen Kooperation soll am 10. September aufgeschlagen werden, wenn eine ukrainische Delegation in Bad Kreuznach begrüßt wird. Videokonferenzen und auch Hospitationen in der Bad Kreuznacher Produktionsanlage und auf Baustellen sollen folgen, um die Zusammenarbeit zu realen Zielen zu führen.
Thomas Gierse