Extreme Preissprünge beim Bauen und Wohnen führen gerade drastisch vor Augen, wie sehr Innovationen in der Bauwirtschaft die Voraussetzung für bezahlbares Wohnen sind. Denn Energie einsparendes Bauen und Sanieren ist teuer und doch zugleich — auch mit Blick auf die Nebenkosten — unabdingbar. Auf der Suche nach Auswegen aus diesem Dilemma stattete eine Delegation des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen Rheinland-Pfalz am Donnerstag, 10. November 2022, den Bad Kreuznacher Unternehmen FutureHaus und Gewobau einen Besuch ab.
Serielles Bauen, also Bauen mit vorgefertigten Elementen, stand im Fokus der Fachexkursion. In diesem Bereich arbeiten die Gewobau und FutureHaus des Unternehmers Thomas Sapper zusammen: im „Solarquartier“ und jetzt beim Neubau „KUB“ (klimapositiv und barrierefrei) in der Schubertstraße in Bad Kreuznach. Bei diesem Projekt der Gewobau entstehen acht rollstuhlgerechte und sechs barrierefreie Wohnungen. Binnen sechs Wochen sei im Frühjahr 2022 der Rohbau erstellt worden, berichtete Gewobau-Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger. Er ging auch auf die Geschichte des „KUB“ ein, das ursprünglich „HUB“ hieß und aus Holz neben einem in Betonbauweise erstellten Treppengebäude errichtet werden sollte. Doch mit Holz habe man die für Mietwohnungen erforderlichen Werte bei der Schalldämmung nicht erreichen können, weshalb die Gewobau schließlich umplanen musste.
"Erfolge auf verschiedenen Wegen zu erreichen"
Diesen von Seeger als „Umweg“ bezeichneten Planungsfehler würde er nicht als Misserfolg werten, sagte Marc Derichsweiler, Leiter der Delegation und stellvertretender Leiter der Bauabteilung im Finanzministerium. Vielmehr zeige sich darin, dass Erfolge auf verschiedenen Wegen zu erreichen seien und man flexibel bleiben müsse. Damit skizzierte er gleichermaßen den Zweck der Fachexkursion, nämlich sich unterschiedliche Lösungsansätze zeigen zu lassen, wie auch das Selbstverständnis von Unternehmer Thomas Sapper.
In dessen Werkhalle (FOTO) in der Otto-Meffert-Straße konnten die Besucher die Produktion von Wandelementen „auf einer Prototypanlage aus eigener Entwicklung und in permanenter Fortentwicklung“ nachvollziehen. Das Kernstück des Verfahrens ist ein Holzspanstein, woraus Wandelemente in Raummaßen zusammengefügt werden, die zum Abschluss der Vorproduktion, komplett mit Dämmung und Fenstern, für den Transport zur Baustelle in offene Container gestellt werden.
Unternehmer Thomas Sapper stellte das Bauverfahren mit Holzspansteinen vor.
Bei der Produktion der länglichen Holzspansteine werden zu 80 % Holzspäne (aus der Region) und 20 % Zement eingesetzt. Die Zementproduktion gilt als extrem CO₂-intensiv. Auf der Gewobau-Baustelle in der Schubertstraße wurden die zunächst hohlen (und leichten) Steine ausgefüllt: Im Erdgeschoss mit Beton (aus CO₂-reduziertem Zement) und in den Obergeschossen mit einem Rezyklat. Diese Wiederverwertung erlaube eine Reduzierung des Zementeinsatzes auf die Hälfte — ohne Einbußen bei der Festigkeit.
„Eine coole Nummer“, sagt Thomas Sapper, der mit dem Fortgang seiner Variante des Bauens mit Fertigteilen sehr zufrieden ist (abgesehen von Einflüssen der aktuellen Krisen auf Kosten und Lieferstränge). Die nächste „Challenge“ werde sein, auch Lehm in die Holzspansteine zu füllen. Eine andere Herausforderung habe man gerade — ebenfalls mit Prototyp-Technik — gemeistert, nämlich das Anmischen des eigenen Rezyklats unmittelbar auf dem Baugrundstück in der Schubertstraße. Diese Technik gelte es nun zu verfeinern. Sie ist ein Mosaikstein in dem Anliegen, auch die sogenannte graue Energie — etwa für Baustellen-Transporte — in die Gesamtbilanz eines Gebäudes einfließen zu lassen. Erst dann lasse sich mit den Werten aus Energieeinparung (Dämmung) und Energieproduktion (Fotovoltaik und Stromspeicherung) ablesen, wann ein Wohngebäude klimaverträglich oder gar klimapositiv ist.
Ausgeglichene Ökobilanz nach 28 Jahren
Beim „KUB“ strebt Gewobau-Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger auf der Basis der ökologischen Bauweise, einer guten Dämmung (KfW 55-Standard) und smarten Fensterlüftung, Fotovoltaik auf dem Dach und an der Hausfassade sowie Stromspeicherung eine ausgeglichene Ökobilanz nach 28 Jahren an. Dann soll der Ressourcenverbrauch aus Bau und Betrieb des Gebäudes durch die überschüssige Energieproduktion ausgeglichen sein.
Nachhaltig, dezentral, regenerativ, soll stelle sich die Bauwirtschaft die Zukunft der — vor allem bezahlbaren — Energieversorgung vor, betonte Karl-Heinz Seeger, der im Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen e. V. als Vorsitzender der ARGE Rheinland-Pfalz auch Brancheninteressen vertritt. Bezahlbarkeit bedeute beim Projekt „KUB“ einen kalkulierten Mietpreis von 9 bis 9,50 €/qm. Wobei es sich beim „KUB“ um ein Bruttomietprojekt handele, das dank seiner Bauweise und der Stromerzeugung (bis zu 50 kWp) die Energiekosten der Mieter stark reduziere. Diesen Vorteil eingepreist, liege man 7,50 bis 8,00 € Miete je Quadratmeter, erklärt der Gewobau-Geschäftsführer.
>> Das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen Rheinland-Pfalz wurde auf Initiative des Finanz- und Bauministeriums 2015 gegründet. In seinem Namen organisierten das Finanzministerium Rheinland-Pfalz und der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VdW) Rheinland Westfalen unter Beteiligung der Deutschen Energieagentur (dena) die Fachexkursion.
Thomas Gierse
Das Foto ganz oben zeigt Gewobau-Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger (rechts) und Thomas Sapper von FutureHaus.