Die Interkulturelle Gemeinde hat eine neue Pfarrerin. Astrid Peekhaus, Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises An Nahe und Glan, beauftragte Annalena Prott, Pfarrerin im Probedienst, mit der Gemeindeleitung. Die Gemeinde ist ein Projekt, in dem die Evangelische Kirche im Rheinland neue Gemeindeformen testet.
Sie ist wie ein frischer Wirbelwind. Mit ihrer temperamentvollen, herzlichen Art erobert sie die Herzen der aus Menschen vieler Nationen zusammengesetzten Gemeinde: Annalena Prott, 32 Jahre alt und Pfarrerin im Probedienst, stürzt sich mit großem Engagement in ihre neue Aufgabe als Seelsorgerin der Interkulturellen Gemeinde An Nahe und Glan. Sie wurde von der Landeskirche der Superintendentin zugewiesen und Astrid Peekhaus beauftragte sie mit der Leitung.
Nach längerer Vakanz finden die Geflüchteten, die sich mit ihren heimischen Unterstützerinnen und Unterstützern an der Gemeinde andocken, in ihr wieder eine feste Bezugsperson. „Ein tolles Team macht mir hier das Ankommen sehr leicht“, beschreibt sie ihre Erfahrungen seit ihrem Arbeitsbeginn im April. Damit meint sie die Mannschaft von „Aktiv für Flüchtlinge“, eine wichtige Anlaufstelle für Geflüchtete und deren ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, sowie das immer am Mittwochnachmittag gut funktionierende BonCafé und das Gottesdienst-Team. Alle zusammen hielten den Betrieb der Interkulturellen Gemeinde während der Vakanz aufrecht.
So war es ein Leichtes, bereits kurz nach ihrem Arbeitsbeginn Teamgottesdienste in der Kirchengemeinde Rund um die Felseneremitage, in Langenlonsheim, Winzenheim und Bretzenheim zu gestalten. „Hier konnte ich ‚Dorfluft‘ schnuppern, einen sympathischen Posaunenchor kennenlernen und viele Kontakte knüpfen“, erzählt sie. Damit folgt die Interkulturelle Gemeinde dem Plan, auch über Bad Kreuznach hinaus zu wirken.
"Als Gemeinde Hoffnung ausstrahlen und verbreiten"
Annalena Prott stammt aus Heidelberg. Sie studierte in Münster, Mainz und Rom Theologie, absolvierte ihr Vikariat in Duisburg. Hier weckte das Projekt Erprobungsräume ihr Interesse und sie bewarb sich um die kreiskirchliche Pfarrstelle, die seit dem Weggang von Pfarrer Bendix Balke unbesetzt war. Das diakonische Handeln zur Integration von Geflüchteten und deren seelsorgerliche Begleitung waren dafür ihre Beweggründe. „Wir müssen in der Gemeinde Hoffnung ausstrahlen und verbreiten“, erklärt sie. Angesichts der vielen von Fluchterfahrungen traumatisierten Menschen, die sich an die Interkulturelle Gemeinde andocken, sieht sie dies als eine ihrer wichtigsten Aufgaben an. In ihrer Ausbildung vermisste sie oft einen ehrlichen Blick auf die heutigen Gegebenheiten und ganz konkrete Handlungsempfehlungen dazu. Es sei entscheidend, Ausbildungsinhalte mit den heutigen Herausforderungen abzugleichen und einzugrenzen, was man tatsächlich für den Job einer Pfarrerin brauche. Als Beispiel nennt sie das Thema Fundraising und blickt dabei auf das Projekt „Aktiv für Flüchtlinge 2.0“. Nach der Überwindung vieler bürokratischer Hürden ist es jetzt durch Mittel aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU für die nächsten Jahre gesichert. „Einen handfesten Beitrag dazu, die Welt besser zu machen“ – das soll Diakonie in den Augen von Annalena Prott leisten.
Den schwarzen Talar trägt sie nur selten. Dafür lässt ihr die Grundkonzeption des Erprobungsraums die nötige Freiheit. Hier muss nicht jede Vorschrift der Kirchenordnung buchstabengetreu erfüllt werden. Vielmehr geht es darum, neue Gemeindeformen zu entdecken und zu probieren, was Menschen anspricht, die mit der traditionellen Amtskirche fremdeln. Genau diese Zielgruppe spricht die Interkulturelle Gemeinde an. Als 2015 die erste große Flüchtlingswelle rollte, fanden sich hier Männer und Frauen aus der Region zur ehrenamtlichen Begleitung der Ankömmlinge bereit. Dabei kamen die unterschiedlichsten Konfessionen und Religionen zusammen, darunter auch Menschen ohne jede kirchliche Bindung. Es ist oft eine Gemeinde auf Zeit. Einige Geflüchtete fassen im Kreis Bad Kreuznach Fuß, lernen Deutsch und finden Schule, Ausbildung und Arbeit. Andere zieht es in entfernte Regionen.
"Kirche neu denken"
„Wir leben in einer Zeit, in der man Kirche neu denken muss“, meint Annalena Prott. Allzu sehr werde an Traditionen festgehalten. Begegnung auf Augenhöhe, Gemeinschaft im kulturellen Reichtum der Gemeinde, Offenheit und Austausch mit unterschiedlichen Konfessionen und Religionen sollen nach ihrer Vorstellung das Gemeindeleben prägen. Der Erprobungsgedanke biete einen Raum für frische Ideen, Mitnehmen von Altbewährtem oder Erdenken von vollkommen Neuem. Sie betont die Grundidee: „Etwas ausprobieren und sich überraschen lassen, was entsteht, denn Gott wirkt ja mit. Wir sind hier Kirche auf dem Weg.“
>> Die Interkulturelle Gemeinde An Nahe und Glan feiert an jedem zweiten Sonntag im Monat, 16 Uhr, im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Bad Kreuznach Gottesdienst. Anschließend wird gemeinsam gegessen. Am Sonntag, 11. August, wird Superintendentin Astrid Peekhaus Annalena Prott offiziell in ihr Amt einführen. Jeden Mittwochnachmittag lädt die Gemeinde ins BonCafé im Dietrich Bonhoeffer-Haus ein. In der Planung sind die Teilnahme an der Interkulturellen Woche, Besuche und Workshops an Schulen, in denen Menschen von ihrer Flucht berichten. Für alle Aktivitäten wird ehrenamtliche Mitwirkung gesucht (interkulturelle-gemeinde@ekir.de / 0179 76 130 72).
Foto: Ein Team aus haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden gestaltet die Interkulturelle Gemeinde An Nahe und Glan. Von links: Tahani Maan, Nina Hilgert, Mira Kube, Hubertus Schanze, Pfarrerin Annalena Prott, Samuel Sindhu, Berthold Sommer, Samira Hashemi, Saeid Jahansouz und Dagmar Petry.
Marion Unger