Vieles sei schon erreicht, aber allzu große Hoffnungen hinsichtlich möglicher Öffnungen im derzeitigen Lockdowns woll sie nicht wecken. Mit diesen Worten begann Ministerpräsidentin Malu Dreyer am Dienstagnachmittag, 9. Februar 2021, ein Pressestatement, das die Haltung der Landesregierung nach der Ministerratssitzung und vor der Bund-Länder-Konferenz am Mittwoch vorstellen sollte.
„Wir haben die Zahl der Neuinfektionen wirklich deutlich gedrückt“, so Dreyer, und zwar von 196 an Weihnachten auf nunmehr 73 in Deutschland und 63 in Rheinland-Pfalz. In elf Landkreisen liege die Inzidenz unter 50, in nur zwei Landkreisen liege sie über 100. Man gehe als in genau die richtige Richtung.
Andererseits bereite sich auch in Rheinland-Pfalz die Virusmutation schnell aus. Derzeit gehen Wissenschaftler davon aus, dass der Anteil der Infektionen durch mutierte Coronaviren bei 20 % liegt. „Wir haben deshalb die wirklich unangenehme Situation, dass man auf der einen Seite den spürbaren Rückgang der Inzidenz sieht, auf der anderen Seite aber eine Entwicklung der Mutation hat, die in eine andere Richtung geht.“
„In dieser Lage ist vollkommen klar, dass wir sorgsam abwägen müssen“, sagte die Ministerpräsidentin. Für sie bleibe es wichtig, klare und nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen „und dass wir wirklich Perspektiven eröffnen“.
Priorität haben nach ihrer Meinung weiterhin die Kinder in Kindertagesstätten und Grundschulen. Zugleich gehe es in vielen Unternehmen „echt an die Substanz“. Wer mit Menschen aus dem Einzelhandel oder aus dem Friseurhandwerk spreche, der wisse, dass dort pure Verzweiflung herrscht. Daher sei es so wichtig, unmissverständlich zu zeigen, womit beim Erreichen bestimmter Inzidenzzahlen zu rechnen sein wird — und dies möglichst in einem bundesweit einheitlichen Stufenplan: Nur so könne man die Menschen dafür motivieren, die Zähne noch einmal zusammenzubeißen.
In die Konferenz mit den Ministerpräsident*innen der Länder und der Kanzlerin will Dreyer den Vier-Stufen-Plan des Landes mitnehmen, weil die Inzidenzwerte weiterhin als eingeübte Orientierungsstufen gelten können, auch wenn inzwischen weitere Handlungsmaßstäbe hinzugekommen seien. Hierzu zählt Dreyer die viel höhere Ansteckungsgefahr durch mutierte Viren (und somit die Notwendigkeit einer noch konsequeneren Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen, etwa durch das Tragen medizinischer Masken), aber auch die Einschätzung des Ethikrates, dass dort, wo durchweg geimpft worden ist (etwa in Altenheimen), die Maßnahmen reduziert werden sollten.
Dem Anliegen, nach individuellen Maßstäben wieder öffnen zu können stehe umgekehrt ein sehr viel schnelleres Eingreifen gegenüber, wenn regionale Inzidenzzahlen dies erfordern. „Das Korrektiv kann am Ende nur regional sein“, sagte Dreyer, und es könne nicht sein, dass im gesamten Land Konsequenzen gezogen werden, wenn nur bei wenigen einzelnen Gebietskörperschaften der Inzidenzwert zu hoch sei.
Der ursprünglich angesetzte Inzidenzwert von 200 als Startpunkt für eine Hotspot-Strategie werde allerdings inzwischen als zu hoch eingeschätzt. Maßnahmen wirken bei dieser Inzidenz kaum, weil sich mutierte Viren schneller und weiter verbreiten. Hier werde das Land künftig von den Kreisen und kreisfreien Städten ein viel früheres Eingreifen mit Instrumenten wie Ausgangsbeschränkungen erwarten.
Malu Dreyer hofft, am Mittwoch die Grundlagen eines nationalen Impfplan vorgelegt zu bekommen, der den Impfplanungen der Länder mehr Verbindlichkeit geben würde.
In einer weiteren Frage sieht Dreyer Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der Pflicht: Nach dem grundlegenden Okay für Selbsttestungen fehle noch die Zulassung von zertifizierten Tests dieser Art in Deutschland. Daran werde gerade mit Hochdruck gearbeitet, und Anfang der nächsten Woche sei mit den entsprechenden Zertifizierungen aus dem Bundesgesundheitsministerium zu rechnen. Zeitgleich müsse festgelegt werden, nach welchem Verfahren auf die Testergebnisse zu reagieren sein wird., ob sich etwa bei einem positiven Testergebnis ein PCR-Test und eine Meldung beim örtlichen Gesundheitsamt anschließen müssen. „Trotzdem glaube ich, kann das ein ganz großer Fortschritt für uns sein, um Erleichterung in der Gesellschaft herbeizuführen“, sagte Dreyer: ein Schritt „in Richtung Lichtblicke“.
Thomas Gierse