Am Montag, 22. Februar 2021, stellte die rheinland-pfälzische Landesregierung ein Modellvorhaben vor, das mit dem Titel „Innenstadt-Impulse“ die Kommunen bei der Begleitung des Strukturwandels in den Innenstädten unterstützen soll. Das Projekt findet große Zustimmung und wird zugleich kritisiert, weil es sich als Modell zunächst auf die fünf Oberzentren Ludwigshafen, Mainz, Kaiserslautern, Koblenz und Trier beschränken soll.
Nach Vorstellung der Landesregierung können mit neuen Förderprogrammen etwa Pop-Up-Stores, Innenstadtmarketing oder den Aufbau lokaler Online-Marktplätze unterstützt werden. Für individuell entwickelte örtliche Vorhaben soll es damit mehr Spielraum geben als bei der klassischen Städtebauförderung, die sich vor allem auf Bauprojekte konzentriert.
Der Strukturwandel in den Städten werde durch die Pandemie in vielen Bereichen beschleunigt: „Große Kaufhausflächen werden in den Innenstädten aufgegeben, der Bedarf an Büroräumen geht zurück und die lokalen Einzelhändler sind in einer schwierigen Lage“, zugleich hätten die Menschen neue Anforderungen an eine lebendige Stadt mit einem Mix aus Wohnen, Kultur, Arbeit, Grünflächen und neuen digitalen Ideen, sagten Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Innenminister Roger Lewentz bei der Vorstellung des Modellvorhabens.
Den Oberzentren stehen in den Jahren 2021 und 2022 zunächst insgesamt 2,5 Mio. € zusätzlich zur Verfügung, die Finanzierungsbeteiligung des Landes soll 90 Prozent betragen. „Mit Blick auf den Doppelhaushalt 2022/2023 ist die Ausweitung der Förderung auf die Mittelzentren geplant. Voraussetzung ist ein entsprechender Haushaltsbeschluss des Landtags“, heißt es in der Mitteilung der Staatskanzlei.
Das Foto entstand am Frühlingssonntag 2016 in Bad Kreuznach.
Die Gruppe der Mittelzentren im Städtetag Rheinland-Pfalz - der unter anderem Idar-Oberstein angehört - meldete sich am Dienstag, 23. Februar, zu Wort. „Wir müssen davon ausgehen, dass die langfristigen Konsequenzen der Corona-Pandemie zu einem deutlichen Attraktivitätsverlust der Innenstädte führen werden“, schreiben die Vertreter*innen aus zwölf Mittelzentren, und dies werde auch dadurch bewirkt, dass zu ein zu erwartender „gewaltiger Einbruch bei den Steuereinnahmen“ den Kommunen die finanziellen Handlungsspielräume nehmen werde. Daher seien die Städte auch auf die Hilfe des Landes angewiesen und man nehme positiv zur Kenntnis, dass die Landesregierung die Kommunen mit dem Modellvorhaben "Innenstadt-Impulse" unterstützen möchte.
„Deutlich irritiert sind wir allerdings über die Ausgestaltung und Stoßrichtung dieses Vorhabens“, weil zunächst ausschließlich die Oberzentren des Landes in den Genuss einer finanziellen Förderung kommen sollen. Diese zu unterstützen sei zwar richtig, doch gebe es „auch deutlichen und hohen Unterstützungsbedarf in den mittleren kreisfreien Städten und den (großen) kreisangehörigen Städten“.
Man gebe zu bedenken, dass Modellvorhaben grundsätzlich alle Typen und Größen von Gebietskörperschaften umfassen sollten, um übertragbare Best-Practice-Beispiele zu generieren. Es dränge sich die Vermutung auf, „dass hier Restmittel aus der bundesdeutschen Städtebauförderung auf die Schnelle zusammengeführt wurden“.
Die Unterzeichner kritisieren, dass „ein solcher kurzatmiger Ansatz an den großen strukturellen Problemlagen der Städte vorbei“ gehe. „Die vage Aussicht auf zusätzliche Finanzmittel in den Jahren 2022/2023“ eröffne nicht die notwendige Perspektive, weshalb das Modellvorhaben unmittelbar aufgestockt werden solle.
„Landesregierung ignoriert coronabedingte Notlage des Kreuznacher Einzelhandels und Mittelstands“, schrieb Dr. Helmut Martin, MdL und CDU-Landtagskandidat am Dienstag, 23. Februar, in die Titelzeile seiner Mitteilung zu dem tags zuvor vorgestellten Modellvorhaben der Landesregierung. Bad Kreuznach werde, wie weitere 10 Städte in Rheinland-Pfalz mit mehr als 50.000 Einwohnern, von der Regierung alleingelassen. Martin wirft der Koalition von SPD, Grünen und FDP im Landtag vor, ein Sofortprogramm der CDU zur Rettung der Innenstädte abgelehnt zu haben: „Zur Rettung unserer Innenstädte ist ein ganzheitliches Konzept notwendig, das in die Breite geht. Die Vorschläge liegen vor.“
In einem Schreiben an die Landesregierung vom Mittwoch, 24. Februar 2021, stimmt der Bad Kreuznacher Wirtschaftsförderer Markus Schlosser der Analyse hinsichtlich des Strukturwandels zu. Er begrüße das Förderprogramm außerordentlich, und fragt dazu: „Aber weshalb denkt man in Mainz nur an die fünf Oberzentren?“ Schlosser verweist auf Initiativen wie „wir sind kreuznach“ sowie auf eigene Ideen und nennt hier das Programm „go digital“. Als ehemaligem Kreiskämmerer sei ihm „die finanzielle Schwerpunktsetzung der Landesregierung zugunsten der größeren Städte, zulasten der Landkreise, noch durchaus bewusst“, moniert Schlosser und bittet, die Kommunen außerhalb der Oberzentren nicht abzuhängen.
Thomas Gierse