Michael Simon setzt (sich) aufs Rad: Dem sozialdemokratischen Landtagskandidaten im Wahlkreis Bad Kreuznach ist das Lastenrad Erkennungszeichen und politische Aussage zugleich. Nicht zuletzt dient das Fahrrad als „kreative Wahlkampfmethode“, weil die Corona-Pandemie viele Aspekte eines herkömmlichen Wahlkampfs nicht zulässt.
„Die Menschen ohne Zugang zum Internet gibt's ja auch noch“, sagt Michael Simon im Gespräch mit hanz-online. Auch sie sollen einen Eindruck von der Person und dem Wahlprogramm erhalten, weshalb er Alternativen zum klassischen Wahlkampf mit den Infoständen und Haustürgesprächen einerseits und einer rein digitaler Präsenz auf Videoplattformen andererseits suchte.
Erfahrungswerte aus seinem ersten Landtagswahlkampf 2016 sind also kaum in den aktuellen Wahlkampf zu übertragen. Vielmehr muss improvisiert werden, sodass es „Infostände to go“ mit Infomaterial zum Mitnehmen gibt. Das sei weniger als eigentlich notwendig, wo doch gerade in der Pandemie besonders viel zu erklären wäre, weil Situationen sich zuspitzen, Prozesse an Fahrt aufnehmen und sicher Geglaubtes in Frage steht.
In der Krise würden bereits bestehende Benachteiligungen noch einmal verschärft, ist Michael Simon überzeugt. Er nennt beispielhaft die Schulbildung, ein Bereich, in den er durch seine Arbeit in der Jugendhilfe tiefe Einblicke habe. Familien, die etwa bei der Kommunikation mit der Schule ohnehin Probleme haben, seien mit den Anforderungen der Digitalisierung vielfach überfordert. Dabei würden mehr als 90 % der Eltern das Beste für ihre Kinder erreichen wollen, „aber es gibt unterschiedliche Voraussetzungen, und es ist Aufgabe von Politik, diese unterschiedlichen Voraussetzungen im Zugang zu Bildung auszugleichen.“
Ansatzpunkt für eine „schnelle“ Lösung des Problems in der Corona-Krise könnten nicht (allein) die Lehrer sein. „Ich wende mich gegen eine pauschale Kritik an den Lehrerinnen und Lehrern, weil ihre Situation alles andere als einfach ist“, betont Simon. Das Wegfallen des Präsenzunterrichts sei kaum wettzumachen, wenn man sich neben dem reinen Bildungsauftrag auch die tatsächlichen sozialen Aufgaben der Pädagogen vor Augen führe. Hier komme auch „Fluch und Segen“ des Homeoffice zum Tragen, also die momentane Neuverteilung von Aufgaben in fragilen Strukturen, die zu Überlastungen führen. „Da leisten Eltern unheimlich viel“, so Michael Simon, doch müsse nun der Staat ein Auge darauf haben, „dass Kinder nicht abgehängt werden. Insofern ist für mich Bildung eine Frage sozialer Gerechtigkeit.“
„Ich mache mir große Sorgen, dass es viele Unternehmen trotz Hilfen nicht schaffen werden.“ Zur Beilegung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie vertritt Michael Simon eine „klassisch sozialdemokratische“ Haltung: „Es gibt ganz viele in diesem Land, die in der Lage wären, gesamtgesellschaftliche Aufgaben mitzufinanzieren.“ Denn nach der Krise werde der Staat seine Finanzsituation wieder festigen müssen. Hierbei, so würde er plädieren, solle man diese Unternehmen in die Verantwortung nehmen und ihnen „einen Gerechtigkeitsanteil an der Finanzierung der Krise“ abverlangen.
Dies sei ein heikles Thema, räumt Michael Simon, der auch Vorsitzender des DGB-Kreisvorstands Bad Kreuznach ist, ein. Aber es entspreche seinem Grundverständnis, dass diese Krise, „die manche mehr trifft als andere, gerecht überwunden und finanziert wird“. Auf einen möglichen Vorwurf, dass dies Sozialismus wäre, würde er antworten, dass es um Gerechtigkeit gehe, und darum, wie man eine Gesellschaft zusammenhält und eine breite Akzeptanz für Maßnahmen erzielen kann. Eine gerechte Krisenüberwindung „ist für mich eine gute sozialdemokratische Position“.
Dass der Staat sich derzeit zugunsten der Hilfsprogramme für Unternehmen verschuldet, schätzt Michael Simon als einen Aspekt von Marktwirtschaft: Schließlich gehe es neben der Milderung persönlicher Schicksale auch darum, einen „riesigen Flurschaden“ mithilfe staatlicher Unterstützung zu vermeiden. In Teilen seien hierbei Fehler gemacht worden, was aber in einem „lernenden Prozess“, für den es kein Beispiel gebe, unvermeidbar sei.
Aus der Pandemie müssten weitere Lehren gezogen werden, ist Simon überzeugt: Die wohnortnahe medizinische Verorgung müsse gesichert und der öffentliche Dienst, insbesondere in den Gesundheitsämtern, müsse gestärkt werden. „Wo würden wir in der Krise stehen, wenn wir den öffentlichen Dienst nicht hätten?“, fragt er. Nach seinem Verständnis steht die öffentliche Verwaltung „dem Bürger partnerschaftlich zur Seite“.
„Das kostet was“, räumt Simon ein, aber davon profitiere im Sinne einer öffentlichen Daseinsvorsorge auch jeder. Von der gegenteiligen Position, Stelleneinsparung „als Selbstzweck“ und zulasten der Qualität, hält er nichts. Er meint einen Mentalitätswechsel in der Gesellschaft zu erkennen, der - siehe Krankenhaus-Diskussion - in der Krise durch neue Argumente angestoßen worden sei. Zugleich werde es aber auch in der öffentlichen Verwaltung Bereiche geben, wo man optimieren müsse. Die Kernfrage laute: „Wo setzen wir das Personal so ein, dass es den Menschen dient?“
Dieser Gedanke führt Michael Simon weiter zum Thema Pflege: Auch hier sei die Politik aufgewacht, aber hinsichtlich Arbeitsbedingungen und Personalschlüssel sowie Löhnen bleibe noch viel zu tun.
Sein Lastenrad ist ein Vehikel für den Wahlkampf, daraus macht Michael Simon kein Geheimnis, denn von seinem Zuhause in Pfaffen-Schwabenheim werde er sich damit kaum zum Einkaufen nach Bad Kreuznach begeben. So habe das Auto weiterhin seine Berechtigung, aber nicht in der bisherigen Ausschließlichkeit: „Mobilität und Klimaschutz gehören für mich zusammen.“ Er möchte, dass Verkehrspolitik stärker ökologisch betrachtet werde und mit mehr Gewicht auf Bus-, Bahn- (auch Hunsrück-Querbahn) und Radverkehr.
Dafür brauche es integrierte Verkehrskonzepte, auch solche wie in Bad Kreuznach inklusive der vieldiskutierten Mobilitätsstation, die er als verkehrs- und umweltpolitisch gut erachtet: „ein Aushängeschild für die Stadt“. „Wir brauchen ein Angebot, damit die Menschen umsteigen“, lautet seine Devise, und die Erfahrung in Bad Kreuznach lege nahe, dass zumal beim Busverkehr einmal mehr die öffentliche Hand hierbei eine wichtige Rolle spielen sollte. Das neue Nahverkehrsgesetz eröffne dafür neue Planungswege.
Das Wahlkampf-Foto zeigt Michael Simon gemeinsam mit
der B-Kandidatin Dr. Claudia Eider.
Seinem Programm gibt Michael Simon ein Motto aus drei Wörtern: „Politik für viele“. Er versuche, damit verschiedene Berufs- und Interessensgruppen, das Gemeinwohl und gesellschaftliche Fragen im Blick zu halten, sagt er. Diese Form des Ausgleichs sei der Überbau seiner politischen Arbeit.
Thomas Gierse