Am 17. November 2021 endet die Amtszeit von Bürgermeister Wolfgang Heinrich. Er ist Wahlbeamter, und die Gemeindeordnung sieht vor, dass über die Nachfolge (oder erneute Verpflichtung) in einer Wahl bestimmt wird und dieser eine Ausschreibung vorausgehen muss. Dr. Herbert Drumm (Freie Wähler) kündigt an, den Verzicht auf die Ausschreibung beantragen zu wollen.
In „schwierigen und völlig unsicheren Zeiten“ mit mutmaßlich hohen Einbußen auf der Einnahmeseite des städtischen Haushalts gebe es „nur eine Regel“, so Herbert Drumm, nämlich „ein gutes und bewährtes Pferd“ (Heinrich) nicht gegen „risikobehaftetes“ (Bewerber XY) auszutauschen. Alles andere als eine Wiederwahl Heinrichs wäre nach Drumms Einschätzung verantwortungslos.
Thomas Gierse
>> Herbert Drumms Mitteilung kann unter dem Kommentar im Wortlaut nachgelesen werden.
Herbert Drumm bezeichnet sich selbst als Freund des Bürgermeisters Heinrich. Als solcher bringt er viel verzeihendes Verständnis für die Persönlichkeitsstruktur Heinrichs mit, dessen fachliche Eignung er über den grünen Klee lobt, so sehr, dass er den „kompetenten Verwaltungsjuristen“ Heinrich für unverzichtbar erklärt.
So wäre es aus Drumms Sicht „verantwortungslos“, dieses „gute und bewährte Pferd, das weder ausgepumpt noch lahm ist“ im vorgeschriebenen Wahlverfahren gegen „ein unbekanntes und daher risikobehaftetes“ auszutauschen.
Man fragt sich, wie Herbert Drumm mit jahrzehntelanger politischer Erfahrung in CDU, Bürgerliste, Freier Fraktion, bei den Freien Wählern und in der FDP-&-Freunde-Stadtratsfraktion sowie als Landtagskandidat und stellvertretender Landesvorsitzender der Freien Wähler darauf kommen kann, ein gesetzlich vorgeschriebenes Wahlverfahren zugunsten seines Freundes aussetzen zu wollen. Die Gemeindeordnung sieht solche Freundschaftsdienste nicht vor und kennt auch keinen Hochbegabten-Bonus für vermeintlich kompetente Amtsinhaber, sondern nennt mehrfach die Ausschreibung eine notwendige Voraussetzung für die Zulassung zur Wahl und zu deren Durchführung. Zwei Drittel der Ratsmitglieder können diese Verpflichtung zwar aufheben. Doch taugen Corona und die Pandemie-Folgen nicht dazu, demokratische Prinzipien außer Kraft zu setzen. Unter Demokraten wäre dies eine Selbstverständlichkeit — was sagt eigentlich Drumms teilweise liberale Fraktion dazu?
Auch frühere Papiere aus Bad Kreuznacher Hinterzimmerrunden vermittelten schon den Eindruck, unter gefährlicher Sauerstoffknappheit formuliert worden zu sein. Doch in der Selbstverständlichkeit, mit der hier persönlicher Vorteil - Vetternwirtschaft versus Bestenauswahl - durch die Aussetzung demokratischer Prozesse erlangt werden sollen, ist Dr. Herbert Drumms Forderung beispiellos.
Thomas Gierse
Nachtrag zur Verdeutlichung: Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit kann sich der Stadtrat gegen eine Ausschreibung aussprechen. Dies war in der Erstversion des Kommentars nicht zu erkennen.
Der Austritt des Bürgermeisters der Stadt Bad Kreuznach aus der SPD kommt nicht überraschend und ist sinnvoll. Auch ist der Zeitpunkt richtig gewählt, um vor der Neuwahl für klare Verhältnisse zu sorgen und Spekulationen über verborgene Absichten zuvorzukommen. Herr Heinrich ist ein sachorientierter Fachmann, der nicht bereit ist, sich rein parteipolitischen Zwängen zu unterwerfen. Daher ist für ihn die Parteilosigkeit der beste Weg, was auch für unseren offenen Stadtrat mit des Öfteren knappen, wechselnden Mehrheiten von Vorteil ist.
Nun aber zum eigentlichen Anliegen dieser Pressemitteilung.
Herr Heinrich hat als Kämmerer in den vergangenen Jahren hervorragende Arbeit geleistet, indem er unbeirrt immer wieder auf die Sparzwänge hinwies, die die desolate Finanzsituation unserer Stadt erfordert, und die er durch kompromissloses Auftreten oft durchsetzten konnte. Und der Erfolg bestätigt sein Vorgehen: Die Stadt konnte ihre Verschuldung deutlich verringern, ohne große Einschnitte machen zu müssen und ohne auf wichtige Investitionen zu verzichten. Nun aber stehen wir Corona-bedingt vor schwierigen und völlig unsicheren Zeiten, in denen nur eines klar ist, nämlich dass wir große Steuerausfälle zu verkraften haben. Und in einer solchen Zeit gibt es nur eine Regel: Man tauscht ein gutes und bewährtes Pferd, das weder ausgepumpt noch lahm ist, nicht gegen ein unbekanntes und daher risikobehaftetes aus, insbesondere dann, wenn weit und breit kein anderes in Sicht ist. Oder wie es die Altvorderen der CDU in Wahlkämpfen kurz und prägnant formulierten: Keine Experimente!
Des Weiteren ist Bürgermeister Heinrich, auch wenn seine Ausdrucksweise manchmal unangebracht und sogar verletzend wirkt, das unabdingbar nötige Korrektiv im Stadtvorstand und auch im Stadtrat. Als kompetenter Verwaltungsjurist wird er dringend gebraucht und dies von Woche zu Woche mehr. Wir können darauf nicht verzichten.
Zusammengefasst: Da es sich hier nicht um eine Neubesetzung handelt sondern sich der erfolgreiche Amtsinhaber wieder bewirbt, wäre es in meinen Augen verantwortungslos, in dieser pandemiebedingten Krisensituation, in der wir Ruhe, Kompetenz und weit vorausschauende Planung brauchen, eine andere Person als Bürgermeister zu wählen. Daher werden die FREIEN WÄHLER beantragen, von einer Ausschreibung abzusehen.
Dr. Herbert Drumm, FREIE WÄHLER, Bad Kreuznach
19.02.2021
Archivfoto (2020): KruppPresse