Vom 3. bis zum 18. November 2022 arbeitete das Interplast-Team Bad Kreuznach in Mozambik. Zehn Jahre Bürgerkrieg mit Millionen Toten, Dürren, Hungersnöte und vor drei Jahren der Wirbelsturm Idai, der Schulen, Krankenhäuser, Hütten und Straßen zerlegte, Malaria, Patienten mit monströsen Fehlbildungen und eine der weltweit höchsten Aids-Raten zeichnen das ostafrikanische Land.
Über ihren Einsatz in der Großstadt Beira berichten die Interplast-Ärzte Dr. Eva und Dr. André Borsche:
Im Zentralkrankenhaus von Beira, einer Hafenstadt mit 400.000 Einwohnern, liegen ca. 50 Schwerstverbrannte. Seit Wochen harren sie bewegungslos auf ihren Betten. Eitrig blutige Mullläppchen kleben auf ihren Wunden, die den Großteil ihrer Körperoberfläche überziehen. Der unerträgliche Schmerz, die fehlende Hoffnung auf Heilung lässt ihre Blicke ins Leere gleiten. Dreimal täglich eine Handvoll Maisbrei ersetzt den ausgemergelten Körpern nicht die monatelangen Eiweißverluste. Milch gibt es derzeit im Krankenhaus nicht. Empfohlen sind Eier. Die müssten die Angehörigen kaufen, hätten sie denn Geld.
Hilflosigkeit und Apathie bei dem zahlreichen, kaum ausgebildeten Pflege- und Ärztepersonal: Jeder gutgemeinte Handgriff lässt die Patienten aufschreien und ist ohne ausreichendes Verbandsmaterial von vornherein sinnlos. Soll man so auf sein Ende in Sepsis oder Auszehrung warten?
Niemand ist sicher, nirgends. Unser einziger Trost, unsere einzige Hoffnung bleiben liebende Mitmenschen, solidarische Seelen, die einfühlsam Leid lindern, durch Gaben Mangel mindern, handelnd Hoffnung säen und durch lebendige Perspektiven das schwer lastende Dunkel der Resignation hoffnungsvoll aufhellen.
16 Koffer voll Hilfsmaterialien, zum großen Teil liebenswerte Spenden, wurden zu unserer Erleichterung am Donnerstagnachmittag, 3. November 2022, von einem überraschenderweise fließend und freundlich Deutsch sprechenden Oberzolldirektor im Flughafen von Beira durchgewunken. Aber wie kamen wir überhaupt nach Mozambik? Wir vertrauten einfach auf die vielfältigen Kontakte unserer Aktionsleiterin, der Gynäkologin aus Idar-Oberstein, Dr. Christiane Meigen. Bei 12 Ultraschallseminaren, die sie in den letzten Jahren in Beira veranstaltet hatte, knüpfte sie viele freundschaftliche Bande.
Christiane Meigen spricht fließend portugiesisch und ist in ihrer vorbehaltlosen Menschenfreundlichkeit mit jedermann in Beira vertraut. In ihrem Schlepptau wurden wir im Krankenhaus fast wie alte Freunde begrüßt. Ja, die chirurgischen Mitarbeiter waren sofort bereit, uns ihr Wochenende zur Verfügung zu stellen, sodass wir von Freitag an bis zum nächsten Sonntag durcharbeiten konnten. Unser OP-Pfleger Sinischa Wagner schloss sogleich Freundschaft mit der Leiterin der Sterilisation. Unsere beiden Narkoseärzte, Dr. Micha Daneke mit Tochter Frida und Dr. Gabi LaRoseé installierten ihr Anästhesiematerial unter Mithilfe freundlicher Anästhesietechniker in Operationssaal 5, der uns für die nächsten Tage zur Verfügung gestellt wurde.
Das Operationsteam mit Dr. Eva Borsche (3. von links) und Dr. André Borsche (4. von rechts)
Chirurgische Mitarbeit erhielten wir von der allgemeinchirurgischen Oberärztin Frau Dr. Zelia, dem kubanischen Plastischen Chirurgen Dr. Jovanis und dem ägyptischen chirurgischen Assistenten Dr. Achmed. Die drei wichen Dr. André Borsche nicht von der Seite. Soviel Wertvolles gab es zu lernen! Sie assistierten ihm bei allen Operationen: Korrektur von Fehlbildungen der Händchen von zwei kleine Jungen, OP am zerstörten Gesicht eines neunjährigen Waisenkindes durch eine Noma-Infektion, Eingriffe bei einem blinden Opfer eines Säureunfalls, dessen Mund narbig erstarrt und zusammengeschrumpft war oder bei einem Polizisten mit Neurofibromatose, einer Krankheit, die kontinuierlich zu Gewebswucherungen führt. Die Mehrzahl jedoch waren rekonstruktive Operationen nach schweren Verbrennungen, die aufwendiger Lappenplastiken und Hauttransplantationen bedurften.
Einmal gab es die Gruppe derer, deren Wunden abgeheilt und geschrumpft waren. Zum Beispiel der kleine Jainito, dessen rechter Oberarm auf der ganzen Länge fest mit dem Brustkorb verwachsen war. Er konnte mit dem rechten Arm nicht schreiben oder sich ankleiden. Nach Einheilung aller Hauttransplantate wird er wieder seine Arme in den Himmel recken können. Die kleine Julia hatte ihr weißes Kleidchen über ihre Beine gedeckt. So war nicht gleich zu erkennen, dass ein Narbenstrang die rechte Kniekehle zusammengezogen hatte und sie dadurch weder stehen noch laufen konnte. Auch ihre rechte Hand war durch den Verbrennungsunfall verkrüppelt. Beides konnte in einer langen Operation wiederhergestellt werden.
Die zweite Patientengruppe waren diejenigen Verbrennungsopfer, deren Wunden nach Monaten noch offen waren und die unter Narkose gereinigt und ausgeschnitten wurden. Dass, wenn man die gesäuberten Wunden dann fest mit Schaumstoff bedeckt, Infektionen verhindert und Heilung beschleunigt wird, wollten unsere Kollegen vor Ort kaum glauben. Christiane Meigen fuhr auf den Markt und besorgte für wenig Geld eine riesige Menge an Schaumstoff, den Sinischa Wagner zu 40 x 40 cm großen Platten zurechtschnitt und zum Sterilisieren eintütete. Unsere Kollegen waren begeistert! Nun können sie all die Patienten, die seit Monaten qualvoll im Eiter ihrer offenen Wunden liegen, nach und nach behandeln und ihnen Hoffnung auf Wiederherstellung machen!
Als Gastgeschenk brachten wir noch ein Accu-Dermatom mit, eine Maschine wie ein riesiger Rasierapparat, mit dem man Haut von einer Körperstelle abnehmen kann, um sie auf saubere Verbrennungswunden zu verpflanzen. Unsere Kollegen haben sich auch gleich, nachdem wir abgereist waren, begeistert an die Arbeit gemacht, erste E-Mail-Bilder sind schon ausgetauscht. So haben wir mit Vermittlung von Kenntnissen nicht nur den von uns operierten armen Patienten, sondern vielen in Zukunft im Beira Zentralkrankenhaus Hilfesuchenden geholfen.
Natürlich wurden schon Pläne für eine Fortsetzung dieser so fruchtbaren Zusammenarbeit im nächsten Jahr gemacht.
Das Zentralkrankenhaus in Beira
Ein noch ungelöstes Problem ist die Ernährungslage. Viele Patienten sind ausgemergelt und unterernährt.
Ein dreijähriges Kind schaute uns voll Hoffnung ins Gesicht. Seine Wunden an Beinen und Armen sollten gesäubert werden, aber wir mussten ablehnen. Eine Narkose wäre zu gefährlich gewesen. Das Kind hatte das Gewicht eines 6 Monate alten Kleinkindes, nur Haut, Knochen und riesige Augen. Das ist bitter. „Zu viel Gewicht, um in das internationale Hilfsprogramm zu kommen“, sagt der Kinderarzt auf unsere Anfrage, „für uns hier ist das nur eine leichte Form der Unterernährung, da kann das Krankenhaus nicht helfen …“
Dr. Achmed nimmt sich des Kindes aber trotzdem an bis wir hoffentlich wiederkommen und ihm weiterhelfen können. Eine „Verbrennungsstation“ würden wir dann einrichten, mit drei Mahlzeiten pro Tag, mit Milch und Eiern für die Kinder.
Niemand ist sicher, nirgends. Unsere einzige Hoffnung sind liebende Mitmenschen, dort wie hier.
Eva und André Borsche
Informationen zu Spendenkonto und Fördermitgliedschaften bei Interplast:
http://www.interplast-badkreuznach.de/helfen.html