Auch im 70. Jahr ihres Bestehens legt die Bad Kreuznacher Gewobau GmbH ein in ihrer Branche überdurchschnittliches Ergebnis vor: „Ein herausforderndes und erfolgreiches Jahr war 2021“, sagt Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger, denn trotz aller Corona-Begleiterscheinungen liege der Jahresüberschuss erneut oberhalb der Millionengrenze.
Die Wirtschaft ausgebremst, Baukostensteigerung, Liefer- und Personalengpässe hätten jedes Bau- und Sanierungsvorhaben erschwert, erläuterte Seeger bei der Vorstellung des Jahresergebnisses 2022 am 6. Dezember 2022. Mit diesem Ergebnis — geplant war ein Überschuss von 960.000 € — konnte die Gewobau die Eigenkapitalquote leicht auf 37,7 Prozent anheben, 170.000 € Gewinn ausschütten und eine Eigenkapitalrentabilität vor Steuern von 5,85 % erzielen — „damit sind wir in Rheinland-Pfalz das beste Unternehmen“. Emanuel Letz, als Oberbürgermeister zugleich Hauptgesellschafter der Gewobau, lobte: „Wieder ein herausragendes Ergebnis in schwierigen Zeiten.“
Dem Geschäftsmodell treu geblieben
Zugleich ist es der Gewobau gelungen, ihrem tradierten Geschäftsmodell treu zu bleiben, das hohe Investitionen in den Hausbestand vorsieht. Die Mittel für Instandhaltung lagen 2021 knapp 38 % über der Rate bei vergleichbaren Mitgliedsunternehmen im Verband der Wohnungswirtschaft (2020: 29,4 %). Die Betriebskosten lagen 28 % unter dem Durchschnittswert (2020: 24,4 %). „In den letzten zehn Jahren haben wir über 13 Millionen € in den Bestand und die energetische Sanierung investiert“, bilanziert Karl-Heinz Seeger, 450 Wohneinheiten seien bislang energetisch saniert.
2021 flossen rund 1,7 Mio. € in energetische Sanierungen, 931.000 € in Modernisierungen und 2,3 Mio. € in die klassische Instandhaltung. Zu den sanierten bzw. modernisierten Gebäuden zählen auch das barocke Fachwerkhaus Mannheimer Straße 27 mit drei Wohnungen (geplante Fertigstellung Mitte 2023) und das ehemalige Gemeindehaus der Liebenzeller Gemeinde in der Viktoriastraße 20. Fertiggstellt wurde das Projekt „Rathaus Planig“.
Neubauten zur Vermietung entstanden im Solarquartier (sechs Doppelhaushälften) und werden gerade im „KUB“ (14 Wohnungen, teils rollstuhlgerecht) gebaut. Das nächste Projekt, Wohnraum für sieben Familien, soll in der Gerbergasse 2 entstehen, nachdem Fragen des Denkmalschutzes geklärt werden konnten. Bei den Sanierungen stehen die zahlreichen Laubenganghäuser sowie das Wohnhochhaus „Im Wahlsberg“ auf dem Plan.
Die hohe Sanierungsquote bildet sich nicht negativ im Mietpreis ab, der mit durchschnittlich 5,05 €/qm sowohl unter dem Branchenwert (5,74 €/qm) als auch unter der Bad Kreuznacher Vergleichsmiete (6,72 €/qm) liege. Dies zeige: „Wirtschaftlicher Erfolg und soziale Daseinfürsorge schließen sich nicht aus“, sagte OB Letz dazu.
Solide und innovativ
Innovative Bau- und Sanierungskonzepte und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums schließen einander nicht aus, stellte Emanuel Letz fest. Mit recycleten Baumaterialien und moderner energetischer Ausstattung sanierter Wohnung agiere die Gewobau vorbildlich. Aus dem Know-how möchte Letz in der Stadt mehr machen: „Wir können uns durchaus vorstellen, dass wir mit den Stadtwerken und anderen Partnern zusammen einen Kreuznacher Weg gehen, der gerne auch bundesweit wegweisend werden kann.“
Beispiel Mieterstrommodelle: Für das Ziel, fossile Energie zu sparen, gehe kein Weg an Solarnergie vorbei, ist sich der Gewobau-Geschäftsführer sicher. Also müsse man versuchen, auf allen Dächern von Gewobau-Häusern Fotovoltaik zu installieren, erklärt Letz und nennt das Ziel:„Es könnte realistisch sein, dass wir im kommenden Jahr das 300-Sonnendächer-Programm auflegen.“ Letz und Seeger halten es für realistisch, dass bis Ende 2023 erste Abschnitte eines solchen Programms gebaut und in Betrieb sein werden — obwohl es bürokratische Hürden gebe und Lieferketten weiterhin keine Verlässlichkeit bieten.
Solarenergie als kommunale Aufgabe
Rheinland-Pfalz will zwischen 2035 und 2040 klimaneutral werden und weist den Kommunen hierfür eine zentrale Rolle zu. Zugleich ruft das Land eine „Klimaoffensive“ ins Leben, nämlich ein 250 Mio. € umfassendes „Kommunales Investitionsprogramm Klimaschutz und Innovation“ (KIPKI) sowie einen „Kommunalen Klimapakt“ (KKP). Diesem Pakt könnte die Stadt Bad Kreuznach ab März 2023 per Ratsbeschluss beitreten, somit ihr Engagement im Klimaschutz bekunden und verstärken sowie im Gegenzug von Förderangeboten und -leistungen des Landes profitieren. Die Positivliste sieht auch kommunale Fotovoltaik-Projekte vor.
Doch es gibt Fußangeln. Denn wer Strom erzeugt und diesen an Dritte liefert, ist ein Energie- bzw. Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Damit sind einige Pflichten verbunden (unter andrem Auflagen zur Registrierung- und Mitteilung und ein hoher Aufwand beim Messen und Abrechnen). Noch erheblicher kann aber für ein Wohnungsunternehmen wie die Gewobau die steuerliche Komponente sein.
Bislang mussten Vermieter damit rechnen, dass das Finanzamt sie sowohl bei der Mieterstromabrechnung als auch bei den Mieteinnahmen als gewerbesteuerpflichtig einschätzte. Somit wäre der Verkauf von Mieterstrom „steuerschädlich“, wie Karl-Heinz Seeger erklärt, denn Mieteinnahmen werden ansonsten nicht mit der Gewerbesteuer belastet. Der Bundestag hat eine Anpassung des Gewerbesteuerrechts beschlossen: Sofern der Umsatz beim Stromverkauf nicht 10 % der Mieteinnahmen überschreitet, soll die Gewerbesteuer nur für die Stromrechnung relevant sein.
Mieterstrom nicht übers Stromnetz
Andere Hemmnisse bleiben bestehen, etwa das Verbot, Strom über das Quartier hinaus an die Nachbarschaft zu verkaufen. Dies zu tun wäre nach Einschätzung des Gewobau-Geschäftsführers sinnvoll, da nicht alle Dächer gleichermaßen gut für die Ausrüstung mit Solarpanels geeignet sind — wegen Ausrichtung oder Denkmalschutz — und eine Mitversorgung der Nachbarschaft oft infrage käme. Doch Mieterstrom ist nur Mieterstrom, solange er nicht ins Stromnetz eingespeist wird und solange er das „Quartier“ (womit ein erkennbares Ensemble von Gebäuden gemeint ist) nicht verlässt.
Würde die Gewobau eine Mieterstromförderung des Bundes in Anspruch nehmen, wäre sie zugleich verpflichtet, ihren Mietern die Vollversorgung anzubieten, also die Stromlieferung auch dann, wenn der Ertrag der Solarpanels nicht ausreicht. Diese Regelung wie auch das gesamte Vertrags- und Abrechnungswesen lassen es naheliegend erscheinen, sich hier mit einem Partner aus der E-Branche zusammenschließen. So ist es in Mainz geregelt, wo die Stadtwerke und die kommunale Wohnbau hierfür eine Gesellschaft gegründet haben. OB Letz sieht auch für Bad Kreuznach die Stadtwerke als den richtigen Ansprechpartner. Erste Gespräche habe man geführt — „und vielleicht bekommen wir es ja hin“.
Weitere „spannende“ Vertragsmodelle gebe es beereits, sagt Seeger, und erklärt, dass die Wohnungswirtschaft, in deren Verbandsarbeit er sich engagiert, diesbezüglich aktiv sei. Am liebsten wären ihm pragmatische Lösung, wie jene aus Holland, wo — im Wechsel zwischen Einspeisung und Verbrauch — der Zähler rückwärts oder vorwärts laufe.
Bislang ist die Gewobau der steuerlichen Problematik — insbesondere im Solarquartier — dadurch ausgewichen, dass nicht Strom, sondern Wärme „gehandelt“ und mit EON ein Unternehmen für das Contracting zwischengeschaltet wurde. Dieses ist direkter Partner der Hauseigentümer und der Mieter.
Für die Mehrfamilienhäuser, das Kerngeschäft der Gewobau, läuft nach Einschätzung Karl-Heinz Seegers die zunehmende enger werdende Verknüpfung von Wohnen und Energieproduktion bis hin zur Autarkie auf die Rückkehr der Warmmiete hinaus. Dieses Mietmodell, dass auf Nebenkostenabrechnungen verzichtet und die Aufwendungen für Wärme einpreist, ist derzeit nur für Häuser mit maximal zwei Wohneinheiten zulässig. Hier sieht Seeger Spielraum sowohl für die Verbandsarbeit als auch für „unkonventionelle Ansätze“ in der Arbeit des kleinen Gewobau-Teams.
Das Foto zeigt (von links) den stellvertretenden Gewobau-Aufsichtsratsvorsitzenden Volker Stephan, Oberbürgermeister Emanuel Letz und Gewobau-Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger bei der Vorstellung des Geschäftsberichts 2021.
Thomas Gierse