Moderne Fahrzeugtechnik mit ihren Assistenzsystemen verhindert oder mildert vielfach Verkehrsunfälle. Doch wenn es kracht, erfordert diese Fahrzeugtechnik oft besondere Herangehensweisen der Retter, etwa weil die Personenrettung aus gestauchten stabilen Fahrgastzellen anders zu bewerkstelligen ist als bei verformten Autos aus früheren Jahrzehnten. Um theoretisches und praktisches Wissen hierzu ging es bei dem Seminar „Technische Hilfeleistung bei Verkehrsunfällen“ im Feuerwehrhaus Bad Sobernheim.
An zwei Samstagen zeigte das Ausbildungsteam „Technische Hilfeleistung“ des Landkreises Bad Kreuznach wichtige Handgriffe und Tricks für die Befreiung von im Fahrzeug eingeschlossenen Menschen mit Schere, Spreizer, Rettungszylinder, Säbelsäge und Brechwerkzeug — stets unter Beachtung der eigenen Sicherheit. Denn selbst in der Kompaktklasse verfügen jüngere Fahrzeuge über eine umfangreiche Airbagausstattung und mehrere Batterien. Sollten sich die Airbags bei einem Aufprall nicht geöffnet haben, stellen sie eine erhebliche Gefahr für die Einsatzkräfte dar. Hier gilt die 90-60-30-Regel, nämlich Sicherheitsabstände von 90 Zentimetern bei nicht ausgelösten Beifahrer-Airbags, 60 Zentimetern beim Fahrerairbag und 30 Zentimetern bei Kopf-, Seiten, Knie- und Hüftairbags. Ein allgemeiner Brandschutz baut Problemen mit den oft in Vielzahl vorhandenen Batterien vor. Ein „Innerer Retter“ klettert ins Unfallauto, um das Fahrzeuginnere genau zu erkunden.
Ein weiterer Schulungsteil widmete sich den verschiedenen Fahrzeugantrieben. Elektroautos und Hybridfahrzeuge, Fahrzeuge mit Erdgas- oder Flüssiggasantrieb sind von außen kaum von den konventionellen Modellen zu unterscheiden, doch für die Feuerwehren macht es bei einem Unfall oder einem Fahrzeugbrand einen großen Unterschied, mit welchem Fahrzeugtyp man es zu tun hat.
Je nach Schwere des Unfalls werden die Einsatzkräfte mit schlimmen Bildern konfrontiert. Den Ausbildern war es ein wichtiges Anliegen, dass die Feuerwehrangehörigen nach dem Einsatz über das Erlebte sprechen und die Eindrücke verarbeiten können. Hierfür stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, beispielsweise die gemeinsame Einsatznachbesprechung oder Gesprächsangebote des Kriseninterventionsteams.
Zwei Feuerwehrfahrzeuge zogen ein gestauchtes
Autowrack etwa auf seine ursprüngliche Länge
Im praktischen Teil des Seminars ging es um die Erkundung eines Unfallfahrzeugs, um die sinnvolle Ablage der benötigten Gerätschaften direkt an der Einsatzstelle und um deren richtige Handhabung. Es zeigte sich schnell, dass nur modernes hydraulisches Rettungsgerät in der Lage ist, die unterschiedlichen Materialien an Autos zu spreizen, zu schneiden und zu drücken. Oft war Ideenreichtum der Ausbilder und Probanden gefragt, um die eingeklemmten Insassen (Dummys) befreien zu können. So kam unter anderem die Säbelsäge zur Öffnung der Karosserie zum Einsatz. Seminaraufgaben waren die Rettung aus einem Fahrzeug nach einem schweren Seitenaufprall, aus einem Fahrzeug in Seitenlage und in Dachlage.
Die grundsätzlichen Arbeitsschritte sind in der Regel immer gleich: Fahrzeug stabilisieren, Schaffung einer Zugangsöffnung für den inneren Retter und einer Versorgungsöffnung für den Notarzt und den Rettungsdienst. Anschließend folgt die Befreiungsöffnung. Das Öffnen des Daches wie bei einer Fischkonserve, die Schaffung eines Fußraumfensters zur Erkundung der Einklemmung und das Hochdrücken des Armaturenbrettes mit dem Rettungszylinder wurden als weitere Möglichkeiten geübt. Zum Abschluss wurde eine Kettenrettung vorgeführt (kleines FOTO), mit der massiv zusammengedrückte Autos schnell wieder nahezu in ihre ursprüngliche Form gezogen werden können.
Seminarleiter Alexander Roßkopf (Feuerwehr Hüffelsheim) mit seinem Team Rouven Ginz (Feuerwehr Rüdesheim), Christoph Kaluza (Feuerwehr Waldböckelheim) und Fabian Trarbach (Feuerwehr Stadt Bad Kreuznach) waren wie auch die 22 Teilnehmer*innen aus dem gesamten Kreisgebiet mit den Seminarinhalten und dem Ablauf sehr zufrieden.
Quelle: Rouven Ginz, Freiwillige Feuerwehr VG Rüdesheim
Fotos: Ausbilderteam