Eine neue Form von Kirchengemeinde entwickelt sich im evangelischen Kirchenkreis: die Interkulturelle Kirchengemeinde An Nahe und Glan. Der Kreissynodalvorstand hat Pfarrer Bendix Balke in die kreiskirchliche Pfarrstelle berufen, die bisher dem Ausländerpfarramt zugeordnet war. Er geht mit einem Team an den Start, um eines neues Arbeitsfeld aufzubauen.
„In dieser Gemeinde sollen Grenzen überwunden werden und niemand soll ein Fremder bleiben“, betont Bendix Balke. Dem Kirchenkreis schwebt eine offene christliche Gemeinde in evangelischer Spielart vor. Sie soll sich aus dem Ausländerpfarramt entwickeln. Dieses bleibt mit seinen Angeboten und Strukturen zur Unterstützung für Migrantinnen und Migranten bestehen. „Die Gründung der Interkulturellen Kirchengemeinde ist ein Gedanke, der sich nun realisiert“, erläutert Superintendentin Astrid Peekhaus. „Eingeladen sind Christinnen und Christen von nah und fern, die miteinander ihren Glauben leben wollen.“
Das Angebot geht aber darüber hinaus. „Menschen anderen Glaubens oder ohne Zugehörigkeit zu einer Kirche sind herzlich eingeladen, die neue Kirchengemeinde mit aufzubauen oder Verantwortung für sie zu übernehmen“, fügt Bendix Balke hinzu. „Mein Traum ist eine christliche Kirchengemeinde, in der Frauen, Männer und Kinder eine Heimat finden können.“
Die Einladung richtet sich an Zugewanderte aus allen Teilen der Welt. Sehr viele von ihnen - die meisten sind bereits als Christen nach Deutschland gekommen - haben im bisherigen Ausländerpfarramt Rat und Hilfe gefunden. Sie fühlen sich bereits als Teil einer Gemeinde, die sich um die überregional anerkannte Institution geschart hat. „Es gibt deutliche Erwartungen von getauften Geflüchteten an den Pfarrer der neuen Gemeinde. Sie haben oft viele theologische Fragen“, lautet eine der ersten Erfahrungen, die Bendix Balke gemacht hat. Darum lädt er im Internet zu den stark nachgefragten Bibelkursen ein. Wenn es die Corona-Schutzbestimmungen erlauben, können auch die Friedensgebete und das beliebte Bon-Café wieder aufgenommen werden.
„Hohen Respekt“ zollt Bendix Balke nach eigenen Worten der Arbeit von hunderten Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe unter der Leitung von Pfarrer Siegfried Pick. Viele ganz unterschiedliche Menschen haben sich von 2015 an der zahlreichen Geflüchteten angenommen und begleiten sie zum Teil bis heute. „Sie haben ein gemeinsames ethisches und soziales Ziel: Die Veränderung der Gesellschaft hin zu mehr Solidarität“, beschreibt Balke deren Motivation. Er hegt die Hoffnung, dass auch diejenigen, die der Kirche eher skeptisch gegenüberstehen, einen Zugang zu der neuen Kirchengemeinde finden.
Die Interkulturelle Kirchengemeinde geht mit einer Anschubfinanzierung der Evangelischen Kirche im Rheinland für die nächsten fünf Jahre an den Start. Die Landeskirche investiert über einen Zeitraum von zehn Jahren bis zu zwölf Millionen Euro in einen Erprobungsraum, um Kirche in neuen Formen den Menschen näher zu bringen. Dieses Investment in die Zukunft soll das Angebot der Ortsgemeinden ergänzen. Dazu meinte Superintendentin Peekhaus: „Die Begegnung unterschiedlicher christlicher Kulturen trägt entscheidend dazu bei, sich in der weltweiten Familie der Christenheit trotz aller Unterschiede zu respektieren und wertzuschätzen.“ Bendix Balke sieht den Boden durch das mehr als drei Jahrzehnte lange Wirken des Ausländerpfarramts dafür hervorragend bereitet. „Er ist nicht nur gepflügt und geeggt, vieles wächst schon. Wir müssen nun dafür sorgen, dass die Saat aufgeht.“
Marion Unger
Foto: Mit Pfarrer Bendix Balke (links) und Mitarbeitenden des ehemaligen Ausländerpfarramts geht die neue Interkulturelle Kirchengemeinde An Nahe und Glan an den Start.
Pfarrer Bendix Balke kann auf einen großen Schatz an Erfahrung in der Arbeit an der interkulturellen Öffnung der evangelischen Kirche zurückgreifen. Der 54-jährige Theologe stammt aus Detmold und hat schon in drei verschiedenen Landeskirchen gearbeitet. Sein Vikariat absolvierte er in Erfurt (Thüringen) und wirkte danach elf Jahre lang als Pfarrer einer ländlichen Gemeinde in der Lippischen Landeskirche. In Frankfurt am Main arbeitete er in der Französisch-Reformierten Gemeinde, ehe er im Rahmen einer Projektstelle im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) interkulturelle Arbeitsfelder koordinierte.
Immer mehr evangelische Gemeinden setzen auf interkulturelle Öffnung und setzen damit Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung. Das zeigt auch eine „Landkarte der Ermutigung“, an der Bendix Balke mitgearbeitet hat. Online bietet sie einen Überblick über Kirchengemeinden, in denen Einheimische und Zugewanderte gleichberechtigt miteinander arbeiten.
Sie ist zu finden unter www.landkarte-der-ermutigung.de