Mit zwei Einschätzungen zur derzeit horrenden Gaspreisentwicklung wartete Geschäftsführer Christoph Naht in der Bilanzpressekonferenz der Kreuznacher Stadtwerke am Donnerstag, 14. Juli 2022, auf: Zum einen sei deutschlandweit zum 1. Januar 2023 mit einem Preisanstieg bei Gas auf das Drei- bis Vierfache der Zeit vor der Krise zu rechnen, zum anderen prognostiziert er: „Die Zukunft wird wieder günstiger.“
Dann letztendlich gebe es weltweit keine Gasmangellage, sondern insbesondere in Deutschland ein Infrastruktur-Problem. Seit der Gasmarktliberalisierung (2006 vollzogen) reagiere der Markt zudem auf jede Entwicklung mit Preisanpassungen: Gas sei ein Spekulationsobjekt.
Was auf die Kunden zukommt
Die Stadtwerken hätten den Gaspreis für 2023 noch nicht vollständig kalkuliert, erklärt Nath. Das habe auch mit der Beschaffungsstrategie zu tun, die einen Einkauf mit Versatz vorsehe, also Beschaffung in vielen Tranchen und mit weitem Vorlauf, statt Kauf in sehr großen Mengen — mit dem Risiko, bei sinkenden Preisen zu teuer eingekauft zu haben.
Diese Beschaffungsstrategie könne große Preissprünge abfedern, weshalb Gas 2023 für Kunden aus Bad Kreuznach auf jeden Fall nicht so teuer werde wie für Kunden anderer Gasanbieter. Anhand Zahlen des Vergleichsportals Verifox untermauerte Nath sein Prognose: Derzeit verlangen die Kreuznacher Stadtwerke für 18.000 kWh (Jahresverbrauch von drei sparsamen Personen im eigenen Haus) in der Grundversorgung 1933 Euro. Bei den Anbietern Mainau oder Yippie seien dafür mehr als 3730 Euro zu entrichten.
„In der Grundversorgung sehr günstig“
Die Stadtwerke bieten ihren Kund*innen in der Grundversorgung derzeit sehr günstige Preise an, unterstreicht Nath. Möglich sei dies, weil das Gas „risikoavers“ teils schon 2019 zu „super niedrigen“ Preisen mit Lieferdatum 2022 gekauft worden sei. Im Lauf der nächsten Jahre wird dieser Vorteil sich aufbrauchen, sodass — je nach Marktentwicklung — die Preisexplosion auch die Stadtwerke-Kunden in vollem Umfang einholen wird. Diese Preisexplosion sei „dramatisch“, sagt Bürgermeister Thomas Blechschmidt, der an seinem Wohnort in Rheinhessen voll von der oben genannten Preisschere betroffen ist.
Stopp für Neukunden
Blechschmidt wäre jetzt gerne Kunde der Stadtwerke, doch kann er allein schon deshalb nicht wechseln, weil die Stadtwerke keine Neukunden aufnehmen. Einzig, wenn Gasanbieter ihren Kunden kündigen oder sie die Belieferung wegen Insolvenz einstellen, können (nur) Bewohner des Stadtgebiets auf dem Wege der Ersatzversorgung — dazu sind Stadtwerke verpflichtet — bei den Kreuznacher Stadtwerken unterkommen. Allerdings zahlen sie zunächst ein etwas höheres Entgelt als die Stammkunden der Stadtwerke.
Versorgungssicherheit
Die Kreuznacher Werke bereiten sich auf den Notfall vor. Wenn der Gasdruck im Netz abfallen sollte, werden zunächst Industriebetriebe den Gasbezug reduzieren. Für diesen Fall, den die Bundesnetzagentur ausrufen würde, haben die Stadtwerke am Dienstag, Mittwoch, 13. Juli 2022 das Vorgehen geübt. Denn nicht sie selbst können einzelnen Kunden den Hahn abdrehen, sondern das müssen die Unternehmen selber machen. Hierfür wurden Dienstwege und Ansprechpartner festgelegt. Wie Klaus-Dieter Dreesbach erklärte, können auf diesem Wege im Sommer rund 50 % des Gasverbrauchs, im Winter, wenn allerorten geheizt wird, vielleicht 5 % eingespart werden.
Unterdruck im Netz
Unterdruck im Gasnetz würde bedeuten, dass alle Heizungsthermen sich abschalten und von Fachleuten wieder in Betrieb genommen werden müssten. Das wäre „gar nicht beherrschbar“, meint der Stadtwerke-Geschäftsführer, und sollte dieser Fall eintreten, würde sich die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes nach seiner Einschättung mehrere Wochen dauern. Um diese zu vermeide, gelte es rechtzeitig den Verbrauch so stark zu reduzieren, dass sich das Netz stabilisiert.
Thomas Gierse
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